Unser Glaube

Peter Friedhofen - Wie Gott die Menschen lieben

Peter Friedhofen

Mit dem Lebenszeugnis Peter Friedhofens verbindet sich die Erinnerung an tiefe Menschlichkeit, an Solidarität mit den Armen und ungewöhnliche Selbstlosigkeit. Nächstenliebe und soziale Gerechtigkeit bleiben als Begriffe abstrakt. In Biographien werden solche Prinzipien konkret, bekommen im buchstäblichen Sinn ein "Gesicht". 

Was an Peter Friedhofen bis heute fasziniert, ist die ungewöhnliche Perspektive, mit der er auf die Menschen schaute. Er schaute gleichsam mit den Augen Gottes auf die ihm anvertrauten Menschen. Beim Sehen kommt es in der Tat auf die Perspektive an. Peter Friedhofen war ein Mann mit einer ungewöhnlichen Perspektive. Er war vom Evangelium angerührt, von der Botschaft Jesu vom Gottesreich, das in seiner Person schon jetzt unter uns angefangen hat. 

Wer dem Evangelium traut, sieht manche Dinge anders. Er fängt zum Beispiel an, in den Armen nicht nur ein soziales Problem zu sehen, sondern den gegenwärtigen Christus, wie uns der Herr selbst aufklärt. Denken wir an das große Gleichnis vom Endgericht (Mt 25, 31-46), dessen Pointe darin besteht, dass man in den Kleinen und Geringen – bewusst oder unbewusst – Christus dient. Peter Friedhofen schreibt hierzu in seinen Satzungen: 

„Den drei wesentlichen Ordensgelübden fügen die Barmherzigen Brüder noch das vierte hinzu, die Kranken zu pflegen, um dadurch vorzugsweise das Gebot der Nächstenliebe um Gottes willen auszuüben... Durch diesen heiligen Dienst wollen die Brüder dem Herrn nachfolgen, welcher – ‚umherzog, Wohltaten spendete’, und seine Liebe besonders durch Krankenheilungen bewährt hat. Durch die Krankenpflege wollen sie ihrem Gott und Heiland dienen, indem sie in der Person der Kranken IHN selbst erblicken und mit treuer Liebe pflegen, denn so wird der Herr am Tag der Vergeltung sprechen: ‚Ich war krank, und ihr habt mich besucht. Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan’.“ (Peter Friedhofen - Satzungen 7) 

Jesu Zuwendung zu den Kranken und Armen bezeugt nicht allein gesellschaftskritische Sensibilität. Sie ist ein direkter Ausfluss seiner Sicht Gottes. Vor Gott sind die Armen groß. Armut ist nicht zuerst ein sozialer Zustand, sondern eine Lebenshaltung. Nach dem Einzug in das erste Kloster in Weitersburg schreibt Peter Friedhofen an Domvikar Liehs: 

„O wie glücklich leben wir jetzt; wir sind arm und doch reich; wir besitzen nichts und doch alles. Wir haben uns gewählt Jesus Christus, den Gekreuzigten; IHM haben wir uns geschenkt und alles was wir hatten. Nichts haben wir IHM vorbehalten. Und Jesus, unser Heiland, hat sich uns geschenkt... Denn heilige Seelenruhe und Frieden lässt uns der liebe Jesus kosten. O, jetzt können wir es begreifen, was es heißt: Jesus mein Alles!“ (Peter Friedhofen - Brief 13) 

In denen, die bereit sind, alles von Gott zu empfangen, erkennt sich Jesus wieder. Solche Menschen sind Geist von seinem Geist, sie sind die "Anbeter im Geist und in der Wahrheit", wie das Johannesevangelium sagt (vgl. Joh 4,23). 

Jesus hat uns Gott neu sehen gelehrt. Jesu Leben, sein Verkünden und sein Handeln bezeugen, wie sehr er sich dem Vater im Himmel verdankt weiß. Er will uns anstiften, die "kostbare Perle", den "reichen Schatz" (vgl. Mt 13, 44-46) zu entdecken, um dessentwillen es sich lohnt, alles hinzugeben. Das Reich Gottes, als dessen Verkünder er sich versteht, ist ja letztlich Gott selbst, seine gnädige Herrschaft, sein Erbarmen, das die Sünde und den Tod als Herrschaftsmächte abgelöst hat. Wer sich wie Peter Friedhofen als Reich-Gottes-Anwärter weiß, gewinnt einen neuen Horizont, schaut auf die Welt aus einer neuen Perspektive. Er taucht gleichsam in Jesu Lebensart ein und fängt an, die vielen Dinge "loszulassen", die das Herz besetzen und den Lebenshorizont eng machen. Er weigert sich, alles nur noch unter dem Aspekt käuflicher Ware wahrzunehmen. Er gewinnt eine neue Weite, die ungläubige Zeitgenossen immer wieder zum Staunen bringt: 

„Die himmlische Weisheit rät uns an: Liebe zur Armut, alles für alles zu geben, nur nach dem einen höchsten Ziel zu streben, nämlich nach Gott.“ (Peter Friedhofen - Brief 5) 

In dieser überraschenden Weite besteht das Geheimnis der Heiligen. Es geht bei Peter Friedhofen nicht vorrangig um Nächstenliebe als Nächstenliebe. Natürlich geht es auch darum. Wir können so sagen: Nächstenliebe ohne Nachfolge Jesu ist eine Tugend. Nächstenliebe um Jesu willen und in seiner Nachahmung ist – Gottesverehrung. Das Handeln des Glaubenden wird dann zu einer Antwort, die nicht allein den Bedürftigen als solchen im Blick hat, sondern in ihm Gott selbst, dem unsere Lebenshingabe gilt: 

„Dann habe ich vor, eine Krankenanstalt zu bauen und Kranke darein zu nehmen, die wir um Jesu willen bedienen.“ (Peter Friedhofen - Brief 12)   

Peter Friedhofen ist nur zu verstehen, wenn man seine Christusfrömmigkeit als Quellgrund seiner Menschenfreundlichkeit zu würdigen weiß. Die Entschiedenheit, mit der Peter Friedhofen den Weg der Christusnachfolge ernst nahm, ist eine deutliche Anfrage an das Christentum und die Gesellschaft heute. Peter Friedhofen hat Christus in den Armen in einem umfassenden Sinn dienen wollen. Das kommt auch zum Ausdruck, indem er in seinen Satzungen über die Brüder schreibt:  

„Die ärmsten Kranken werden sie vorzugsweise lieben und pflegen, weil diese dem armen Heiland am ähnlichsten sind.“ (Peter Friedhofen - Satzungen 4) 

Das Christentum verliert seine "salzende" Kraft, wenn es Nächstenliebe nicht mehr so zu motivieren weiß. Darum gilt von den Heiligen aller Generationen das Jesuswort: "Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht!" (Lk 10, 23). Die Heiligen sehen in der Tat alle Wirklichkeit mit neuen Augen. Sie stellen alle Dinge in einen neuen, eben einen österlichen Horizont. 

Für uns Christen wird die Wirklichkeit nicht verzaubert. Die Realitäten behalten ihre Widerständigkeit. Wir werden als Christen nicht dem Leid und dem Schmerz enthoben. Uns werden auch keine heroischen Tugendkräfte verliehen, die uns zu Helden einer besonderen, heraus-ragenden Moralität machen. Man könnte sagen: Wir Christen sind nicht besser (als andere), aber wir haben es besser! 

Was uns Christen geschenkt ist, ist diese "Beleuchtung" aller Wirklichkeit, die vom Osterlicht her kommt. Vielleicht erklärt das die tiefe Freude Peter Friedhofens, die Zeitgenossen von ihm bezeugen. Er hat diese Freude zu seinem Lebensprogramm gemacht, wie seine Worte offenbaren: 

 „Meine Freude ist erfüllt und gestillt ist mein Verlangen, wenn ein Werk für Gottes Ehre aufgerichtet ist.“ - „Mit Mut und Freude weiter.“ (Peter Friedhofen - Brief 9 und 16) 

Selbst in Leid und Trauer ist diese Freude nicht von ihm gewichen. Hier erfährt sich jemand in einer Liebe geborgen, die unerschütterlich ist, nicht aufzuheben durch irdische "Todeszeichen". Den eigenen Tod vor Augen schrieb er drei Tage vor seinem Tod:    

  „Am liebsten wäre mir, wenn ich etwas zu wünschen hätte, bald zu sterben. O welche Freude, wenn ich die heiligen Weihnachten das ‚Gloria in excelsis deo’ mit den Engeln im Himmel singen könnte. Bei Gott ist alles möglich...“ (Peter Friedhofen - Brief 40) 

Die Botschaft Peter Friedhofens, die wir offenen Herzens hören und aufnehmen sollen, heißt: Wer selbstlos liebt, berührt Gott, wird mit ihm "eines Sinnes". 

Das bedeutet zum einen etwas sehr Tröstliches: Es gibt auch heute über die aktiven Kirchenmitglieder hinaus viele "Gottesfürchtige". So manche, die mit Kirche nichts oder nichts mehr anfangen können, sind dennoch Gott nahe – eben, weil sie in der Art Peter Friedhofens und ihres Verhaltens an manchen Stellen ihres persönlichen und beruflichen Lebens Menschen selbstlos dienen, und darin unbewusst Christus ähnlich werden. 

Zum anderen: Unser eigener Gottesglaube braucht die Konkretion der "Fußwaschung" am Mitmenschen. Jeder hat dazu allerlei Gelegenheiten. Besonders wichtig sind jene Dienste, die sich nicht weltlich auszahlen. Es muss in unserem Leben Handlungsweisen geben, die im Sinne der Welt "töricht" sind, sich nur vom Osterlicht her erklären lassen. Peter Friedhofen war in den Augen der Welt töricht. Obwohl sich fast alle von ihm abwandten, hielt er doch an seiner Absicht, einen Kranken-pflegeorden zu gründen, fest:

„Nicht herrschen will ich, sondern mich freuen, wenn das Werk zu seiner Vollkommenheit gekommen ist, welches dem einen ein Ärgernis, dem anderen eine Torheit, dem anderen eine Unmöglichkeit schien...“ (Peter Friedhofen - Brief 15) 

Das Gedenken an Peter Friedhofen soll uns veranlassen, mit seinen Augen auf unsere Zeit und ihre Nöte zu schauen. In Kurzform: Die beste Form des Gedenkens an Peter Friedhofen ist das genaue Hinschauen.         

Unsere Zeit hat andere Nöte und Herausforderungen als das 19. Jahrhundert, in dem Peter Friedhofen lebte. Was Peter Friedhofen von vielen seiner Zeitgenossen aber unterschied, war seine Bereitschaft, angesichts des Elends seiner Zeit nicht wegzuschauen. In seiner Nachfolge stehend gilt es, die Nöte unserer Zeit beim Namen zu nennen. Dazu wollen wir uns sensibilisieren lassen, an unserem Arbeitsplatz, in unseren Pfarrgemeinden, in unseren katholischen Verbänden und Gemeinschaften, aber auch in der Öffentlichkeit und nicht zuletzt in der Beurteilung politischer Sachverhalte. 

Aus dem Hinschauen soll und muss ein Handeln werden. Das kann in vielen Fällen nur zeichenhaft und beispielhaft sein, aber es wird nicht ohne Wirkung bleiben. Unsere Gesellschaft braucht mehr als Gerechtigkeit, so notwendig diese auch ist. Auf dem Fundament der Gerechtigkeit braucht unser gesellschaftliches Haus auch Barmherzigkeit und Solidarität für jene, die allein nicht mit dem Leben zurechtkommen. 

Gerade im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen gilt es, der gesellschaftlich anzutreffenden Kälte zu widerstehen und Räume zu bewahren und auszubauen, in denen der Mensch Zuwendung und Wärme empfangen kann. 

Peter Friedhofen hat bekanntlich nicht Wert gelegt auf weltlichen Beifall für sein Verhalten. Er hat sich angeschaut gewusst. Nicht nur allgemein von den Menschen, sondern konkret in den Bedürftigen seiner Zeit hat er sich von Gott selbst fragend und bittend angeschaut gewusst. Ob das nicht das Geheimnis der Heiligen überhaupt ist? Peter Friedhofen wusste sich jedenfalls "angeschaut" vom Himmel her, deshalb konnte er bei einer Rast in der Natur auch ausrufen: 

„O, das ist des Allmächtigen Güte! Es ist der Schöpfer, der die ganze Welt erfüllt! Er erfüllt auch dieses waldige Tal, auch mein Herz. Und das ist das Glück, welches mich umweht und erfüllt.“ (Peter Friedhofen - Vermächtnis 5) 

Wenn wir die Heiligen ehren, ehren wir nicht nur tugendhafte Menschen, sondern rühmen die dynamische Kraft Gottes, die Biographien verwandeln kann. Darum ist die Verehrung Peter Friedhofens für uns Lobpreis der Gnade Gottes.